interview

Der nachfolgende Text basiert auf den Aufzeichnungen eines intensiven Gesprächs zwischen Matthias Mainz und mir, das am 17.2.2015 in meinem Atelier stattfand. Ich empfinde die hier verwendete Interviewform als adäquates stilistisches Mittel und sowohl Fragen als auch Antworten folgen, wenn auch oft nicht wörtlich, so doch inhaltlich unseren Gedanken und Ausführungen.

Alex, warum hast du begonnen zu malen? 

Nach fast 30 Jahren intensivem und abwechslungsreichen Musiker- und Produzentenleben, verspürte ich den Drang mich künstlerisch auch anders auszudrücken zu können. Es schien mir naheliegend, jetzt visuell zu arbeiten und das Malen liegt mir. Ich liebe es mit Farben umzugehen, sie zu mischen, zu riechen, zu verschmieren, ich liebe die Haptik der Leinwand und das fast altmodische und die jahrhundertlange Tradition, die bei jedem Pinselstrich mitschwingt. Ausserdem empfinde ich es als reizvoll, dass es meistens kein zurück gibt, keine undo Taste wie am Computer, mit dem ich in meiner Musik ja ununterbrochen arbeite. Malen ist eine tolle Abwechslung.

Warum malst du abstrakt und nicht gegenständlich und was passiert eigentlich wenn du das fertige Bild  betrachtest?

Abstrakte Malerei hatte für mich seit jeher eine Kraft, die mich gefesselt hat. Es ist die Möglichkeit unendlicher, wechselnder Assoziationen mit real existierenden Gegenständen, oder einfach Stimmungen und Nuancen, die man in abstrakten Form- und Farbspielen erkennen könnte oder kann. Aber natürlich ist das auch ein wesentliches Manko der abstrakten Malerei. Das Gehirn leitet uns dahin, Orientierung im Gesehenen zu bekommen und will uns daher im Abstrakten vertraute Bilder und Muster erkennen lassen, deshalb versuchen wir ständig zu assoziieren. Das empfinde ich aber als unkünstlerisch, nicht angebracht und ignorant. 

Meine Bilder sollen für sich stehen, sie sind Objekt und Gegenstand genug, sie bilden nichts ab, sie sind für sich.

Mit etwas Training kann man es schaffen, dem Druck eines abstrakten Bildes stand zu halten und es einfach in seiner reinen Form- und Farbgestaltung zu betrachten ohne nach gegenständlichen Darstellungen zu suchen. Ich verwerfe oftmals Bilder, die abstrakt angelegt sind aber plötzlich sehr gegenständlich scheinen. Formen und Linien werden dann wieder verwischt, ich möchte das geheimnisvolle in der Abstraktion erhalten. Und schliesslich ist ein Abstraktes Bild selbst etwas Gegenständliches. Ein Bild eben, aus Formen und Farben, ohne etwas anderes darstellen zu wollen. Da bin ich ganz Romantiker, ähnlich wie in meiner improvisierten, elektronischen Musik. Wenn ein Stück anfängt zu sehr nach Genre, nach Stil oder Stilistik zu klingen, stoppe ich und rolle es neu auf, bilde neue Bögen, neue Phrasen und neue Melodien, zerbreche Rhythmen und forme sie um.

Wenn ich eins meiner eigenen Bilder im Nachhinein betrachte und denke, dass eines besonders gelungen ist, dann freue ich mich. Es ist eine kindliche Freunde, voller Überraschung und Stolz und spornt mich an das nächste Bild zu machen.

Mich interessiert sehr die Analogie oder die Unterschiede im Prozess des Entstehens  zwischen dem Musik machen und dem Malen. Wo siehst du die Parallelen?

Beim Malen arbeite ich, nachdem ich die Leinwände, Pinsel, Spachteln, Farben etc. vorbereitet habe, sehr schnell. Ich trage die Farben grossflächig auf und versuche durch intensives Betrachten ein Verhältnis zum Bild im jeweiligen Stadium aufzubauen. Es sind nicht nur die Hände, die handeln, es ist vor allem das Auge, das die ästhetische Situation erkennt und mich dazu bringt, weiter zu malen. Schnell entscheide ich dann ob es mehr Farben braucht, mehr Linien, mehr Muster, weniger Schärfe oder was auch immer mir an gestalterischen Möglichkeiten zur Verfügung steht. Ich führe die Arbeiten dann entweder aus oder, wenn ich unentschlossen bin, gehe ich weg vom Bild, um wieder einen klaren Blick zu bekommen. Es ist ein lebendiger, körperlich und seelisch bewegender Prozess, der Einsatz erfordert, körperlichen und mentalen.

Spannend ist ja auch, dass ich das Bild immer als Gesamtkunstwerk betrachten kann, im gesamten Entstehungsprozess und natürlich auch am Ende. Ein Stück Musik ist immer linear, es erfordert eine um ein vielfaches längere Aufmerksamkeit als ein Bild. Der Hörer muss sich auf einen langen Prozess einlassen. Ein Bild knallt einfach rein, rums ist es da und wir entscheiden in Sekundenbruchteilen, ob es sich lohnt ein paar Sekunden mehr darauf zu schauen. Wenn wir 5 Minuten auf ein Bild sehen und es uns immer noch gefällt, dann sind wir ja schon verliebt. Beim Musik konsumieren ist das immer noch ein zartes Nippen. Wirkliches Eintauchen dauert Stunden besonders beim Musik machen. Daher arbeite ich ja auch seit Jahren fast ausschliesslich im Bereich der Improvisation. Auf die Bühne zu gehen und (fast) gar nicht zu wissen, was denn jetzt eigentlich passieren soll, das ist immer noch unendlich spannend und geht manchmal sehr gut und manchmal leider gar nicht, solches Musizieren kann immer auch misslingen. Aber wenn man aufnimmt und sich die Musik dann nach einer Zeit erstmalig wieder anhört und sie gut ist, stellt sich auch die gleiche kindliche Freude ein, wie bei einem gelungenen Bild.

Wenn ich es richtig verstehe, entsteht vom Bild ausgehend eine Art Widerstand und du musst damit arbeiten.

Ja, genau. Widerstand ist ein guter Begriff an dieser Stelle. Ich spüre körperlich, dass das Bild nicht fertig ist und nicht entlassen werden kann. Es braucht noch mehr. Mehr von etwas, was ist erahnen sollte, instinktiv. 

Man kann jetzt natürlich sagen, Widerstand ist etwas negatives. Stattdessen passt vielleicht, dass man in einen Fluss gerät. Aber dieser Fluss ist auf jeden Fall so wie du das beschreibst eine Auseinandersetzung mit Materialität und dem was du den Blick und oder das Auge nennst. Es ist also so eine Art Pin Pong Spiel zwischen dem was dir gegenüber ist und was in dir ist und du weisst es vorher nicht, oder?

Nie, ich weiss es gar nicht vorher. Vielleicht versuche ich Farblichkeiten festzulegen. Z.B. arbeite ich mit Cyan blau und gelb und wische solange bis ein Grün auf der Leinwand entsteht. Das kann ich gut planen. Aber ansonsten spiele ich mit dem Unvorhersehbaren, der Überraschung. 

Aber Fluss gefällt mir. Es ist nicht nur der Fluss im Sinne eines Arbeitsprozesses, sondern oft empfinde ich es auch so, als ob die Kunst an sich als Kreativfluss durch den Raum, die Luft, dass All oder wo durch auch immer fliesst und ich einen kleinen Teil abschöpfen kann und daraus entsteht dann so ein Bild. Im übertragenen Sinne, als ob man in einer unglaublich spannenden, hell strahlenden Kulisse steht und Fotografiert. Alles klappt, weil das Motiv so toll ist. Für den Fotografen ist es dann ja auch ein bisschen, als ob er mitten in der Kunst sitzt und nur draufhalten muss. So ähnlich kann es beim Malen gehen. Nur man sieht die Kulisse nicht sondern die Kunst fliesst im Verborgenen.

Ich möchte aber noch einmal zurück kommen zum Widerstand deiner Bilder. Kann dieser Widerstand nicht auch eine Qualität der Bilder sein?

Absolut. Und ein Bild, was bei mir das Gefühl auslöst, es würde sich noch wehren und wäre nicht fertig, kann für den nächsten ja absolut geschlossen und perfekt sein. Diese Vorgänge sind absolut subjektiv und es ist nun mal so, dass ich bei meinen Bildern entscheide, ob ich sie verabschiede oder nicht. Eine tolle Erfahrung ist in diesem Zusammenhang mit einem anderen Künstler zusammen an einem Bild zu malen. Das habe ich auch schon gemacht, ist eine irre Erfahrung. Ständig werden Dinge übermalt, die man selbst toll findet und umgekehrt, herrlich. Wie in einer guten musikalischen Kollektivimprovisation.

Nochmal zurück zu der Auseinandersetzung mit den möglichen Veränderungen des Bildes und dass das ein physischer Prozess ist. So wie du mir dein Malen bei anderen Gelegenheiten beschrieben hast, die grossen Spachtel, die langen Pinsel, Schaber all das Werkzeug und Material ist da ja eine mentale aber eben auch körperliche Auseinandersetzung. Und ich weiss, dass du auch seit einiger Zeit boxt und frage mich jetzt in wie weit die Physis eine Rolle beim Malen spielt. Ich weiss dass die Form von Improvisation, die wir gemacht haben, vor allem wenn die so medial aufgeladen ist, wenn also Computer eine Rolle spielen und die ganze Elektronik, dann wird das zu einer extrem feinsinnigen Angelegenheit. 

Die pysische Aktivität, die man vielleicht früher in der Fusionband in den 90ern hatte, die irgendwie mit grossen Bühnen und Posen zu tun hatte, die ist völlig weg getreten im Grunde zu Gunsten einer sehr vergeistigten Form von auf den Moment hören und mit der Stille arbeiten in der Musik.

Und auf den Bildschirm starren.

Genau, und das hat ja einen unheimlichen Reichtum, aber dieser Reichtum liegt sehr stark im Innern. Das sind sehr subtile Körperebenen, die  Gefühlsebenen sind, die aber wenig mit körperlichem Ausagieren zu tun haben. Ist das ein Turn bei dir, der also nicht der Pictorial Turn ist, also die Hinwendung zum Bild hin sondern die was zu tun hat mit der Hinwendung zum Machen?

Ist es, ja. Malen ist ein erschöpfender körperlicher Prozess, bei dem ich in Bewegung bin. Farben mischen, auftragen, verwischen, Pinsel reinigen, vor und zurück laufen, betrachten, wieder spachteln, da kommt man schon ins Schwitzen. Und das ist ein gutes Gefühl. Und im besten Falle ist diese Energie, die man aufgebracht hat in dem fertigen Bild konserviert und der Betrachter sieht es. 

Aber in der Musik ist es ja ähnlich, man kann auch ganz schön kämpfen und das Gitarre spielen, von dem ich ja komme, kann auch sehr körperlich sein. Nur in unserem Fall, wie du richtig bemerkt hast, ist diese Körperlichkeit zugunsten einer feinsinnigen Elektroniksteuerung mir Maus und Reglern gewichen.

Warum stellst du die Werkreihe improvisierte Abstrakte jetzt in Köln öffentlich aus?

Obwohl ich mir nicht 100% sicher bin, ob die Bilder denn jetzt fertig sind, möchte ich doch wissen was sie beim Betrachter auslösen. Und nicht nur bei Freunden, die vorbeikommen auf einen Kaffee. Ich möchte mich zeigen und erfahren, ob Unbeteiligte die Energie, die ich in die Bilder investiert habe, auch spüren.

Ist das ganze ein Experiment für dich?

Das denke ich schon. Ein Experiment, das mir Erfahrungswerte bringen soll, wo meine Bilder eigentlich stehen. Von aussen betrachtet. Im Inneren bin ich mit ihnen ja sehr im Reinen, sie gefallen mir. 

Früher, als ich jünger war hatte ich einen totalitären Anspruch an die Musik. Das beinhaltet viel Frustration. Ich war ständig auf der Suche nach dem richtigen, dem 100% Weg und es hat Jahre gedauert, bis ich in der Lage war die Musik, die Kunst ihrer selbst willen sein zu lassen. Vielleicht kann man das als eigene Stimme eines Musikers beschreiben. Muss man aber nicht, es geht mir heute nur noch um den Prozess des eigenen Erschaffens und den damit verbundenen subjektiven Erlebnissen und Empfindungen. Im besten Falle kann das Publikum mit mir diese Prozesse live auf der Bühne erleben. 

Ja, und du warst in den letzten Jahren auch befreit von diesem Erwerb- Erwartungs. und Repräsentanzdruck, dass die Musik im Kontext von anderen Musiken etwas besonderes sein muss, das ist vorbei. 

Und dass man jetzt an diesem Punkt hingehen kann und etwas komplett

anderes machen kann auf dem selben Level im Grunde genommen.  Und da kommt jetzt eine Serie mit Bildern raus, die jetzt für dich eine unterschiedliche Qualität haben, aber du nimmst natürlich nur die die für dich eine bestimmte Stärke haben, die sich so anfühlt als sei sie inhärent, als sie das Bild selber. Du spürst also, wie das Bild den Prozess repräsentiert in dem es quasi geboren wurde und wie es für einen bestimmten Prozess in der Auseinandersetzung mit dir selbst steht. Und die bleibt, da das Bild ein Objekt ist. Und dann ist das Austellen ein logischer Prozess um zu überprüfen, ob sich diese Wirkungen bei anderen auch einstellen.

Musik ist immer Prozess ob auf der Bühne oder beim Hören von bereits Aufgenommenem. Den Punkt der Perfektion gibt es in der Kunst nicht, eigentlich in keinem Lebensbereich. Warum sollte das in der Musik anders sein?

Statt einem totalitären Anspruch an die Kunst ist also ein feines Bewusstsein für die Spannungen zwischen Prozess und dem finalen Objekt, z.B. dem Bild, dem Entstehen, der darauf folgenden Transformation und der Übermittlung zum Publikum von entscheidender Bedeutung.

Was ist also wichtiger für dich beim Malen? Das Ergebnis, also das fertige Objekt oder der Prozess?

Das steht in seiner Bedeutung unzertrennlich und gleichbedeutend nebeneinander. 

Im besten Falle lässt das Objekt erahnen, wie der Prozess seiner Entstehung abgelaufen ist. Übermittlung der oft bemühten Energie ist so ein Parameter zur Festlegung.

Warum gibst du deinen Bildern keine Titel?

Ich male abstrakt, weil ich keine Gegenständlichkeit in meinen Bildern darstellen möchte. Wenn ich die Realität abbilden möchte, tue ich das mit Fotos. Das Objekt Bild ist für mich genug Realität, es existiert ja. 

Betrachter neigen dazu in abstrakten Bildern Dinge, Gegenstände oder Abbilder zu entdecken und sind oft froh etwas klares gefunden zu haben. Man kann beobachten, wie manche Menschen Glücksgefühle empfinden, wenn sie etwas in den Bildern entdecken. Ich empfinde das als zutiefst unkünstlerisch, wie schon vorher gesagt. 

Ein abstraktes Bild, dass etwas darstellt ist nicht gut. Ich möchte keine direkten , gegenständlichen Assoziationen herstellen, daher hat in dieser Serie nur ein einziges Bild einen Titel, Ostende. Diese eine Assoziation geht noch, es sind ja nur zwei Farben auf der Leinwand.